"Wer gut schmiert, der gut fährt!"

Wie wir Motivation ermöglichen und Demotivation vermeiden

Ein Blogbeitrag von Jan Schreder


Manchmal läuft es wie geschmiert: Motivation, Konzentration und Produktivität sind hoch, die Arbeit macht Spaß und geht leicht von der Hand, das Klima im Betrieb könnte besser nicht sein und der Chef muss erst ans Arbeitszeitgesetz erinnern, bevor das Werkzeug beiseitegelegt wird. Dann wiederum gibt es Tage, da scheint ordentlich Sand ins Getriebe geraten zu sein: die Motivation liegt daheim im Bett, trotz Erfahrung und Routine schleichen sich Fehler ein und frustriert wird der Feierabend herbeigesehnt. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Wenn es aber nicht bei einzelnen Tagen bleibt, stellt sich die Frage nach den Ursachen. Ein guter Arbeitgeber ist daran interessiert, ein positives Arbeitsklima zu schaffen und Motivation und Produktivität bei seinen Angestellten dauerhaft hochzuhalten. Teresa Amabile und Steven Kramer sind in ihren Studien genau dieser Frage nachgegangen. Die beiden Forscher der Havard Universität befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedensten Unternehmen und werteten 12 000 Fragebögen aus, auf denen diese über ihr Erleben im Arbeitsalltag berichteten. Die Fragestellung: Welche Faktoren wirken sich negativ, welche positiv auf Motivation, Zufriedenheit und letztlich auf Erfolg aus? Oder um im Bild zu bleiben: Was sind die Schmierstoffe, auf die Arbeitgeber zurückgreifen können und wo sind die Sandkörner, auf die man achtgeben muss?

In diesem Alltagsbild verstecken sich bereits die ersten beiden grundlegenden Erkenntnisse:

(1) Negative Impulse wirken stärker als positive. Einmal Sand im Getriebe, kann es nachhaltig Schaden nehmen, schmieren dagegen muss man regelmäßig!

(2) Kleine Impulse verursachen große Wirkung! Sandkörner sind winzig, aber auch beim Schmieren genügt oft schon eine kleine Menge an der richtigen Stelle, damit nichts verschleißt.

Direkt zu Beginn ihres Buches (Amabile & Kramer: The Progress Principle, Boston 2011) stellen die beiden klar: Um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, bedarf es nicht gleich kostenintensiver Extras wie eines 24/7-Fitness-Studios auf dem Betriebsgelände oder einer gratis Sterne-Kantine, wie es manche Tech-Riesen in den USA bieten. Sie bestätigen zwar, dass z.B. auch monetäre Anreize und Vorteile durchaus einen Unterschied machen können. Damit aber Zufriedenheit, intrinsische Motivation und die positive Wahrnehmung der Arbeit und des Arbeitsumfelds gestärkt werden, geht es in erster Linie um die Ausgestaltung der Tätigkeit, nicht um die "Requisiten". Amabile und Kramer sprechen in diesem Zuge vom "Inner Work Life". Den Begriff "Inner Work Life" könnte man so umschreiben: wie geht es mir heute bei der Arbeit, in Bezug auf die Aufgabe, die ich habe, die anderen Personen und die Vorgesetzten.

Das Inner Work Life wird zwar auch durch Faktoren beeinflusst, über die der Arbeitgeber nicht direkt verfügen kann z.B. Ärger im persönlichen Umfeld, die gesellschaftliche Anerkennung eines Berufes, usw. Dennoch haben die beiden in ihren Untersuchungen drei Schlüssel-Faktoren herausgearbeitet, mit denen aktiv Einfluss genommen werden kann:

1. Das Fortschrittsprinzip (the progress principle) - Ereignisse, die Weiterkommen bedeuten.

Dazu gehören: Kleine Erfolge; Durchbrüche; Vorwärtsbewegung/Entwicklung; das Erreichen von Zielen

2. Katalysatoren (the catalyst factor) - Ereignisse, die die Arbeit unterstützen.

Dazu gehören: Klar gesteckte Ziele; die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten; die Bereitstellung von Ressourcen; Bereitstellung von ausreichend Zeit; Hilfe bei der Arbeit; Lernerfolge aus Problemen und Erfolgen; die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen

3. Seelennahrung (the nourishment factor) - Ereignisse, die die Person unterstützen:

Hier sind zu nennen: Respekt; Förderung; Emotionale Unterstützung; Zugehörigkeit

Negativen Einfluss aufs Inner Work Life haben die entsprechenden Gegensätze: 1. Rückschläge (Setbacks); 2. Hemmnisse (Inhibitors); 3. Gifte (Toxins)

Die folgende Grafik ermöglicht es, jedes Erleben am Arbeitsplatz einem Bereich zuzuordnen und daraus Schlüsse für ein gutes Miteinander und gemeinsames Vorankommen zu ziehen:

Das, was Menschen weitaus am meisten motiviert, ist Erfolg bei einer bedeutsamen Aufgabe (-> Fortschrittsprinzip). Ohne solche Erfolgserlebnisse kann es kein gutes Inner Work Life geben. Damit es aber zu solchen kommen kann, bedarf es einer "starken Tagesdosis" Katalysatoren und Seelennahrung - reichlich Schmierstoff also. Dafür zu sorgen, ist für Amabile und Kramer eine der Hauptaufgaben von Führungskräften. Wenn Arbeit und Person aktiv unterstützt werden, dann gelingt Fortschritt.

Amabiles und Kramers Rat an Personen in leitender Funktion: Zu wissen, dass tägliche Fortschritte, selbst kleine Erfolge, den Tag eines Menschen zu retten vermögen - und dass selbst kleine Rückschläge den Tag ruinieren können -, sollte die Wachsamkeit für beide Seiten steigern.

Hierfür haben sie eine Checkliste erstellt. Das Versprechen: Wenn du möchtest, dass dein Team auf höchstem Level performt, musst du nur für 5 Minuten am Ende jedes Tages diese Liste durcharbeiten. Sie hilft dabei, wachsam zu bleiben, um störende Einflüsse wahrzunehmen und aktiv positiven Einfluss auf das Inner Work Life der Mitarbeitenden zu nehmen. Denn wer sein Getriebe nicht schmiert, kann das bald hören. Auch zwischenmenschliche Reibungen kann man wahrnehmen, wenn man weiß, worauf man achten muss. Wer aber täglich schmiert, muss nicht erst intervenieren, wenn es knallt. Hier gilt die alte doppeldeutige Weisheit: Wer gut schmiert, der gut fährt.

Ein plakatives Beispiel zum Schluss soll zeigen, wie wichtig die Beachtung solch scheinbarer Selbstverständlichkeiten sein kann: Im Rahmen einer Studie (Gawande: The Checklist Manifesto) wurden in acht Krankenhäusern rund um die Welt während jeder OP Checklisten abgehakt - Kurze Vorstellungsrunde im Team P, Kontrolle, welche Körperseite operiert werden soll P, Zählen des OP-Bestecks vor und nach der Operation P usw. Während der drei-monatigen Studie konnte so im Schnitt die Anzahl ernster Komplikationen um 36% verringert werden - die Sterblichkeitsrate sank sogar um 47%!

Erfolge sind das, was uns trägt und motiviert, weiter dranzubleiben. Eine wichtige Aufgabe von Führung ist es, solche Erfolge zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um großartige Siege, sondern darum, dass jeder Tag einen Sinn und ein positives Ergebnis hat. Wenn es gelingt, dafür genügend Zeit und Aufmerksamkeit einzusetzen, dann macht Führung einen guten Job. "Wer gut schmiert, der gut fährt!"